Samstag, 24. Januar 2009
 
Nicaragua: Kommunalwahlen als Plebiszit PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Donnerstag, 6. November 2008

In Nicaragua werden am Wochenende die neuen Gemeindevertretungen gewählt. Dabei geht es nicht nur um die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sondern um einen ersten Popularitätstest für Präsident Daniel Ortega.

Jede Kommunalwahl hat auch ein gesamtpolitisches Element. In Nicaragua werden die Gemeindewahlen vom 9. November von Präsident Daniel Ortega aber als Plebiszit über seine bisher knapp zweijährige Amtszeit inszeniert. Er hat mehrere Sozialprogramme, wie Null-Hunger und Null-Wucher, auf Schiene gebracht, um die Verarmung, die sich unter den Vorgängerregierungen verschärft hat, abzufedern. Gleichzeitig bemüht er sich, die Macht zu zentralisieren und die Voraussetzungen für eine zweite Amtszeit zu schaffen. Dafür wäre eine Verfassungsänderung notwendig. Ein deutliche Bestätigung seiner Politik durch einen Sieg in den Gemeinden wäre dafür eine wichtige Voraussetzung.

Wenn am Sonntag in 145 der insgesamt 153 Gemeinden des Landes neue Bürgermeister und Gemeinderäte gewählt werden, geht es darum, die sandinistische Macht zu konsolidieren. FSLN-Parlamentsabgeordneter Gustavo Porras gab die Parole aus: „Wir müssen in allen Gemeinden mit mehr als 50 Prozent gewinnen“. Dieser totale Triumph ist zwar utopisch, doch jüngste Umfragen geben den sandinistischen Kandidaten in den meisten Gemeinden gute Chancen. Besonders umkämpft ist natürlich Managua, wo die Sandinisten bereits die zweite Periode hintereinander regieren. Sie schicken mit dem ehemaligen Boxweltmeister Alexis Argüello einen populären politischen Quereinsteiger ins Rennen. Er liegt bei den Demoskopen knapp vor seinem engsten Rivalen Eduardo Montealegre von der Liberalen Allianz, der vor zwei Jahren gegen Ortega bei den Präsidentschaftswahlen unterlag. Er ist allerdings politisch beschädigt, weil ihm eine dubiose Rolle bei der Rettung der Privatbanken vor einigen Jahren nachgesagt wird.

Der Konkurrenz von Links hat sich Ortega entledigt. Die Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS), die vor allem vom städtischen Mittelstand unterstützt wird, darf gar nicht antreten. Denn der Zentrale Wahlrat hat ihr in einer umstrittenen Entscheidung wegen angeblicher Formfehler ebenso wie der Konservativen Partei die Rechtspersönlichkeit entzogen.

Ortega und seine First Lady Rosario Murillo überlassen nichts dem Zufall. Seit Wochen sind sie landauf landab unterwegs, wenn es irgendetwas zu verteilen gibt, seien es Schecks des Null-Hunger-Programms, Häuser eines Wohnbauprojekts oder von Venezuela gespendete Kochherde. Immer dabei ist auch der Boxchampion Alexis Argüello. Wer in den Genuß solcher Güter kommen will, tut allerdings gut daran, den „Bürgerbeteiligungskomitees“ (CPC) beizutreten. Die haben mit Basispartizipation wenig zu tun. Es sind administrative Parallelstrukturen, die von den jeweiligen FSLN-Parteisekretären getragen werden. Sie dienen als Transmissionsriemen der Zentralmacht. Noch Monate vor dem Wahlkampf, am FSLN-Parteitag Ende Februar, nahm Ortega allen Bürgermeisterkandidaten das Versprechen ab, sich im Fall ihrer Wahl, den Entscheidungen der CPC zu unterwerfen. Das führt, wie Carlos Fernando Chamorro, der renommierteste unabhängige Journalist des Landes, in einem Kommentar kritisiert, zur Unterhöhlung der in der Verfassung verankerten Gemeindeautonomie, einer Errungenschaft der sandinistischen Revolution. Denn unter Diktator Anastasio Somoza war die Autonomie der Kommunen aufgehoben worden.

Während der 17 Jahre konservativer und liberaler Regierungen ermöglichten die autonomen Gemeinden die Fortführung von Projekten aus der sandinistischen Zeit. Ausländische Organisationen konnten auf diesem Wege gewachsene Strukturen an der Regierung vorbei am Leben erhalten. Dass jetzt die Bürgermeister an die Kandare genommen werden, fügt sich in das Bild der autoritären Amtsführung. Vor kurzem wurde die Frauenorganisation AMNLAE, die sich eine gewisse Unabhängigkeit erkämpft hatte, von der Partei übernommen. Eine Spaltung war die Folge. Unabhängigen Organisationen wird das Leben mit bürokratischen Schikanen, hetzerischen Medienkampagnen und juristischer Verfolgung schwer gemacht.

Wählerinnen und Wähler, die mit ihrem sandinistischen Bürgermeister eigentlich zufrieden sind, die zentralistische Machterweiterung des Ehepaars Ortega aber ablehnen, stehen vor einem Dilemma. Deswegen ist auch knapp vor dem Urnengang der Prozentsatz der Unentschlossenen mit rund einem Drittel sehr hoch. Politisch riskant ist die Entscheidung von MRS-Chef Edmundo Jarquín, dessen Leute ja nicht antreten dürfen, die jeweils aussichtsreichsten Kandidaten gegen die FSLN zu unterstützen, egal ob sie jetzt der Liberalen Allianz, der Liberal Konstitutionalistischen Partei oder der konservativen Allianz für den Wandel angehören. Parteiintern hat das zu einer Spaltung geführt. Der linke Flügel unter Mónica Baltodano will nicht mit den traditionellen Gegnern der sandinistischen Idee gemeinsame Sache machen und ruft zur ungültigen Stimmabgabe auf.

Der Tag vor und der Tag nach der Wahl wurden von der Regierung arbeitsfrei gegeben. So soll für hohe Wahlbeteiligung gesorgt werden. In den acht Gemeinden der Autonomen Region Nordatlantik, die im September von Hurrikan Felix verwüstet wurde, sollen die Wahlen am 18. Januar nachgetragen werden. Wahlbeobachter lehnt Daniel Ortega ab. Weder die Organisation Amerikanischer Staaten, noch der Dachverband der zivilgesellschaftlichen Organisationen, durften sich akkreditieren.

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